Gunther Schmidt

Samstag, 18. Juni
Tag 2
12:00 – 13:00
Vortrag
Abstract – Vortrag
Wie Diagnosen als Chance für Würde-Gestaltung und Kompetenzentfaltung genutzt werden - hypnosystemische Strategien für eine achtungsvolle Kooperation auf Augenhöhe

Im Vortrag wird gezeigt, wie mit typischen hinderlichen Zwickmühlen in der therapeutischen Kooperation, die entstehen durch die Regelungen unseres dominierenden Gesundheits-Systems (welches man auch eher als „Krankheits-System“ bezeichnen kann), so umgegangen werden kann, dass sie sogar für die Aktivierung von Selbstwirksamkeit/Eigenkompetenz von Klienten, Autonomie und Würde utilisiert werden können.

Diagnosen bedeuten aus hypnosystemischer Sicht keineswegs eine klare und generell alleine stimmige Aussage über denjenigen Menschen oder über das System, über welche sie gemacht werden. Vielmehr stellen sie bestimmte Realitätskonstruktion dar, die von Beobachtern aus bestimmten Perspektiven- meist in generalisierender Form gemacht werden (von eigenen Werten und normativen Vorgaben geleitet) und aus einer selektiven Wahrnehmungsdynamik heraus. Sie sagen also viel auch über die Beobachter aus («alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt»- H.Maturana).

Sie wirken leider, wenn auch nicht beabsichtigt, oft auch als Maßnahmen der Vernichtung von wertvollen Informationen, vor allem solchen, die zeigen können, dass die Diagnostizierten sehr wohl in diversen Kontexten hilfreiche Kompetenzen gelebt haben („Muster des Gelingens“/ «Hinweise auf gesunde, zieldienliche Kompetenzen»). Außerdem bewirken sie häufig, dass die Diagnostizierten sich selbst nicht mehr als kompetente, mit anderen Menschen völlig gleichwertige und gleichrangige Menschen erleben und auch oft von „Behandler*innen“ ebenso behandelt werden. So entstehen oft entwürdigende Interaktionen, die dann als hinderliche Kontextbedingungen wieder zur weiteren Schwächung der Betroffenen beitragen, was wiederum oft geradezu wieder als Bestätigung dafür gewertet wird, dass die Diagnostizierten noch weniger kompetent erscheinen, was wieder zu verstärkter Entwürdigung führen kann.

Mit hypnosystemischen Konzepten kann praktisch immer gezeigt werden, dass auch bei sehr lang andauernden und als sehr schwer erlebten Symptomen/Problemen die Betroffenen in ihrem unbewussten Erfahrungs-Repertoire sehr wohl über hilfreiche, Lösungsförderliche Kompetenzen verfügen, die während der leidvollen Prozesse aber dissoziiert sind. Um wieder würdigende, Lösungs-förderliche Interaktionen zu gewährleisten, muss die Fokussierung der Aufmerksamkeit aller relevanter Beteiligter auf diese gewünschten Kompetenzen ausgerichtet werden («Priming»-Forschung, Hirnforschung, Hypnotherapie und hypnosystemische Konzepte). Die übliche Diagnosepraxis, wie sie sich in ICD- und DSM- Beschreibungen zeigt, bewirkt unbeabsichtigt oft das Gegenteil, nämlich eine indirekt wirkende Hypnose mit Amnesie und Dissoziation für die hilfreichen Kompetenzen und entsprechende Beziehungsmuster zwischen Diagnostizierten und Anderen.

Im Vortrag wird gezeigt, wie man mit Klienten kongruente würdigende Begegnungen schaffen kann, in dem man die Zwickmühlen auf Augenhöhe transparent kommunizieren kann, wie man mit ihnen alternative Kompetenz- und Ressourcen-„Diagnosen“ entwickeln kann, wie man in systematischer Gegenüberstellung von ICD- und von Kompetenz-Diagnosen kraftvolle Selbstwirksamkeits-Aktivierung anregen kann. Weiter wird vermittelt, wie man auch die Haltung der Klienten, die sich selbst mit Pathologie-Diagnosen identifizieren, wieder Kompetenz-aktivierend utilisieren kann als anerkennenswerte Lösungsversuche für Bedürfnisse und wie man sie dabei unterstützen kann, diese Haltung zieldienlich und als autonome Wahl systemisch kompetent zu utilisieren.

Dr. Gunther Schmidt

Dr. med., Dipl.-Volkswirt, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ärztlicher Direktor der SysTelios-Privatklinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung in Waldmichelbach-Siedelsbrunn, Leiter des Milton-Erickson-Institut Heidelberg.
Träger des Life Achievement Awards 2011 der deutschen Weiterbildungsbranche. Begründer des hypnosystemischen Ansatzes für Kompetenz-Aktivierung und Lösungsentwicklung in Therapie/ Beratung/ Coaching/ Team- und Organisationsentwicklung, Lehrtherapeut des Helm Stierlin Instituts für systemische Therapie/ Beratung, Ausbilder und langjähriger 2. Vorsitzender der Milton-Erickson-Gesellschaft (MEG), Mitbegründer und Senior Coach des Deutschen Bundesverbands Coaching (DBVC). Internationale Lehr- und Beratungs- Tätigkeit. Autor zahlreicher Fachpublikationen (Bücher, Fachartikel, Audio- und Video- Publikationen).

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